Interview
Enablement ist Pflicht
Ingram Micro unterstützt den österreichischen IT-Channel weit über den klassischen Vertrieb hinaus. Im Gespräch erklärt Head of Cloud Dominic Sabaditsch, wie das Unternehmen Partner begleitet.

Dominic Sabaditsch, Head of Cloud, Cyber Security & Datacenter Software, Ingram Micro Österreich
© Ingram Micro
EHZ: Ingram Micro ist ein führender IT-Distributor. Was zeichnet die österreichische Landesgesellschaft besonders aus?
Sabaditsch: Ich denke, das sind mehrere Aspekte. Zum einen ist es der starke Portfolio Mix, mit dem wir am Markt auftreten. Wir sind in der Lage den Channel von der PC-Tastatur bis zum hybriden Rechenzentrum, on premise und in der Cloud, zu beliefern. Unsere Value Adds wiederum spielen für die Wertschöpfungskette eine große Rolle für den Erfolg. Diese reicht vom ersten Kontakt über die Lead-Generierung bis hin zur Projektunterstützung und allem, was danach kommt. Wenn sich ein Partner in einem Thema unsicher fühlt, begleiten wir ihn auch zu Kundenterminen und bringen unsere technische Kompetenz ein. Danach folgen Konzeptionierung, Dimensionierung, Angebotslegung und Abwicklung. Dabei unterstützen wir auch bei Projektpreisen und im Umgang mit den sehr unterschiedlichen Anforderungen der Hersteller. Wir begleiten auch bei Rollout und der Implementierung, schaffen Partner-Ökosysteme, in denen sich Unternehmen gegenseitig helfen, und entlasten auf Wunsch bis in den Live-Betrieb und Support. Unsere Unterstützung umfasst somit die komplette Bandbreite in einem Projekt – vom ersten Kontakt bis zum laufenden Betrieb. Wichtig ist: Wir bieten alles aus einer Hand, bleiben aber stets channel-treu – das heißt, wir gehen niemals direkt zum Endkunden, um Konflikte im Channel zu vermeiden.
Ingram Micro ist also längst mehr als nur eine klassische Vertriebsdrehscheibe?
Sabaditsch: Ganz genau, weit über den reinen Produktverkauf hinaus. Ein Punkt, den ich in der Wertschöpfungskette noch gar nicht erwähnt habe, sind unsere Trade-in- und Financial Services. Wir unterstützen Partner auch finanziell, etwa bei der Projektfinanzierung. Gerade kleinere Reseller oder Unternehmen können oft nicht einfach zur Bank gehen und sagen: „Ich brauche fünf Millionen Euro für ein Projekt.“ Hier springen wir ein, helfen bei der Finanzierung und übernehmen ein Stück weit sogar das finanzielle Risiko – als Puffer zwischen Hersteller und Partner.
Wo stehen die österreichischen Unternehmen beim Zugang zur Cloud?
Sabaditsch: Wir haben in den letzten Jahren jeweils zu Jahresbeginn unsere Partner befragt: Wie weit sind Sie auf der Cloud-Journey? Heuer haben wir diese Umfrage nicht mehr gemacht, weil der Trend ohnehin absehbar war. Vor sieben Jahren sagten noch rund 50 Prozent: „Cloud interessiert mich nicht.“ Im Jahr darauf waren es 40 Prozent, dann 30 Prozent. Rein rechnerisch müsste die Zahl heute bei null liegen, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht, aber es beschäftigen sich weit mehr Unternehmen mit dem Thema als noch vor wenigen Jahren.
Interesse ist das eine, Umsetzung das andere. Wie sehen Sie diesen Unterschied?
Sabaditsch: Richtig. Das Interesse ist die Basis. Wenn das da ist, unterstützen mein Team und ich die Partner dabei, die Cloud-Journey zu starten: mit Enablements, strategischer Planung und Begleitung.
Der österreichische Cloud-Markt wächst derzeit um etwa 30 bis 40 Prozent pro Jahr. Mein Appell an die Partner: Dieses Wachstum sollte man nutzen, solange es anhält.
Und wie sieht es international beziehungsweise in Europa aus?
Sabaditsch: Andere Länder sind weiter. Sie haben auch einen klaren Vorteil, und das ist ein Punkt, der in Gesprächen mit Partnern immer wieder vorkommt: In Österreich ist die Netz-Infrastruktur nicht überall ausreichend ausgebaut. In den Ballungszentren funktioniert es, aber sobald man sich ein Stück von den Hauptstädten entfernt, wird es schwierig. Damit besteht die Gefahr, dass Unternehmen, die jetzt mit Digitalisierung und Cloud-Architekturen starten wollen, nicht die nötigen Voraussetzungen finden. Mir ist dabei immer wichtig: Der sinnvollste Weg ist ein hybrider Ansatz – also eine gesunde Mischung aus Cloud und On-Premise. Wenn die Infrastruktur jedoch nicht passt, werden Unternehmen entweder gar nicht erst kommen oder Österreich verlassen. Eine gravierende Besserung sehe ich bisher nicht. Es gibt zwar immer wieder Programme wie die „Netzmilliarde“, aber aus meiner Sicht fehlt hier der nötige Push seitens der Regierung. Wir hinken hier tatsächlich im internationalen Vergleich hinterher.
Welche Schwerpunkte setzt Ingram Micro im Cloud-Bereich?
Sabaditsch: Unsere Strategie im Cloud-Bereich basiert auf mehreren Säulen. Ein zentraler Punkt ist das Enablement, über das wir schon gesprochen haben. Der zweite große Bereich ist das Portfolio. Dabei ist uns wichtig, nur jene Services und Hersteller im Portfolio zu haben, die wir auch wirklich kompetent unterstützen können. Es bringt nichts, Millionen Services anzubieten, bei denen die Partner – und wir am Ende auch – den Überblick verlieren. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Technologietreiber am Markt, also Unternehmen wie Microsoft, AWS, Adobe, Acronis, Avepoint oder Cisco, um nur ein paar davon zu nennen. Vielfalt ist wichtig, aber Fokussierung ebenso. Zehn Hyperscaler im Portfolio zu haben, macht wenig Sinn – am Ende können sie alle ähnliche Technologien abbilden. Lieber konzentrieren wir uns auf zwei oder drei, die wir in- und auswendig kennen, um Partner bestmöglich zu unterstützen. Damit schaffen wir die Gratwanderung zwischen breiterer Auswahl und zeitgleich hoher Qualität in der Beratung. Mit weiterem Wachstum kann das Portfolio natürlich erweitert werden, aber Qualität und Fachkompetenz stehen klar vor Quantität.
Wie unterstützten Sie konkret Systemhäuser und Fachhändler beim Einstieg in die Cloud?
Sabaditsch: Zunächst setzen wir uns mit dem Reseller oder Systemhaus zusammen und klären: Wo möchtest du hin? Cloud ist ein Sammelbegriff, der vieles umfasst – von Software-as-a-Service über Infrastructure-as-a-Service bis zu Platform-as-a-Service. Man muss irgendwann eine Spezialisierung finden oder zumindest mit einem Schwerpunkt starten. Unsere Aufgabe ist es, genau dieses „Etwas“ gemeinsam zu identifizieren. Wenn wir das festgelegt haben, sehen wir uns an: Welche Skills sind notwendig? Wo braucht es Ausbildung? Wir haben ein breites Trainingsportfolio und geben unser eigenes Know-how gerne weiter. Dazu kommen Unterstützung bei Zertifizierungen und – als einer der wenigen Anbieter – ein eigenes Pearson VUE Testcenter im Haus, in dem die Zertifikate auch direkt abgelegt werden können. Geht ein Reseller mit großem Interesse in diesen Bereich, entwickeln wir gemeinsam einen Businessplan, der den möglichen Weg aufzeigt. Dafür setzen wir auch externe Leistungen ein, etwa Assessments, wie gut der Marktauftritt vorbereitet ist und wo Optimierungen möglich sind. Dazu gehört ebenso die gemeinsame Arbeit an Marketingmaßnahmen. Wir bilden Partner also nicht nur technisch aus, sondern auch im Bereich Sales und zeigen ihnen mögliche neue Geschäftsfelder und potenzielle Projekte auf. Wichtig ist: Wir lassen Partner nicht allein, nachdem wir Ziele definiert haben. Wir begleiten sie während der gesamten Entwicklung. Heute arbeiten wir in der Cloud bereits mit über 600 Partnern zusammen, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden.
Warum sollte ein Partner mit Ingram Micro ins Gespräch gehen?
Sabaditsch: Wir schulen Partner nicht nur theoretisch, sondern verfügen selbst über tiefes technisches Wissen. Wenn wir keine Ahnung von den Lösungen hätten, könnten wir auch nicht erwarten, dass unsere Partner sie erfolgreich einsetzen. Ich lege großen Wert darauf, dass mein Team ein sehr hohes Ausbildungsniveau hat. Im täglichen Austausch mit Partnern merkt man schnell, wie professionell und kompetent wir agieren. Wenn wir einmal lokal nicht weiterwissen, greifen wir auf das globale Netzwerk von Ingram Micro zurück. Wir arbeiten eng mit Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern zusammen, haben internationale Communities aufgebaut und nutzen dieses Schwarmwissen gezielt. Optimalerweise ist der Partner immer eingebunden, um gleichzeitig zu lernen. Und genau das ist der Punkt: Wir teilen unser Wissen bewusst, weil wir langfristig starke, selbstständige Partner wollen.
Welche Rolle spielen die genannten Communities?
Sabaditsch: Wir bringen regelmäßig Menschen mit gemeinsamen Interessen oder Schwerpunkten zusammen, egal ob es sich um Hersteller-Communities oder thematische Communities handelt. Ein Beispiel ist unsere neu gestartete AI-Community. Dort kommen Interessierte und Expertinnen und Experten aus ganz Österreich zusammen, um sich über aktuelle Trends in künstlicher Intelligenz auszutauschen, voneinander zu lernen und manchmal auch gemeinsame Projekte zu entwickeln. Das Ziel ist klar: Wissen teilen, Innovation fördern und Begeisterung wecken. Ähnlich funktioniert es bei den Hersteller-Communities – da arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern an Workshops oder neuen Ideen für den Markt. Ich denke, wir sind in diesem Bereich ein Stück weit Pioniere und Vorreiter: Wir rufen diese Communities nicht nur ins Leben, sondern halten sie auch am Leben, moderieren sie aktiv und sorgen dafür, dass echter Austausch und Zusammenarbeit entstehen.
Wie gehen Sie mit neuen, innovativen Herstellern um? Man möchte ja früh dabei sein, aber gleichzeitig kein Risiko eingehen.
Sabaditsch: Wir sind grundsätzlich experimentierfreudig und testen viel. Wenn neue Hersteller mit innovativen Ansätzen auf uns zukommen, gehen wir das Thema offen an, aber mit Augenmaß. Ich bin kein Freund davon, sofort die gesamte Prozesskette mit Legal, Onboarding und Systempflege anzustoßen. Oft starten wir zunächst als Empfehlungsgeber. Wir beobachten dann, wie sich der Hersteller entwickelt: Wie investiert er? Wie nimmt der Markt ihn auf? Wie stabil ist das Unternehmen, auch langfristig betrachtet? Wenn eine gewisse Marktreife erreicht ist, dann können wir den formellen Onboarding-Prozess starten. Es geht also nicht darum, sofort alles umzusetzen, sondern die Reise schrittweise und ohne unnötige Komplexität zu beginnen.
Wenn Sie einen Wunsch an den österreichischen IT-Channel frei hätten, welcher wäre das?
Sabaditsch: Mein Wunsch an die Hersteller ist: Nutzt den Channel, um Innovationen voranzutreiben. Man kann dem Channel ruhig vertrauen – es muss nicht alles direkt laufen. Viele Hersteller sehen den Channel noch zu wenig als Multiplikator. Dabei kommt jeder Hersteller irgendwann an den Punkt, an dem er ohne helfende Hände nicht weiterkommt, und genau da sind wir als Distribution gefragt. Mein Appell an jene, die stark auf Direktvertrieb setzen oder wieder dorthin zurückgehen: Denkt noch einmal darüber nach. Gerade im SaaS-Bereich mag der Direktkauf einfach wirken, aber es geht ja nicht nur um den Kauf – es braucht Support und zusätzliche Services. Wer noch nicht mit uns arbeitet, kann sich gerne melden – wir nehmen uns auch für kleinere Hersteller Zeit.
Und was wünschen Sie sich von den Resellern?
Sabaditsch: Mut, neue und innovative Wege zu gehen – im Sinne des Endkunden. Denn am Ende profitieren wir alle davon, wenn Technologie Einzug hält. Hinter dem Endkunden steht ja noch jemand: wir alle, die diese Lösungen letztlich täglich nutzen. Je innovativer Reseller ihre Kunden unterstützen und befähigen, desto stärker profitiert der gesamte Markt. Ich wünsche mir, dass auch neue Partner offen das Gespräch mit uns suchen – ganz unverbindlich. Wir verlangen kein Geld für Beratung, und niemand muss danach etwas kaufen. Aber jedes Gespräch kann der erste Schritt in eine erfolgreiche Zusammenarbeit sein.

